Hilfe

Abed. Abed der im August vergangenen Jahres eine Mail schrieb, er wolle Deutsch lernen. Asap. As. Soon. As. Possible. Seinetwegen haben ein paar Leute eine Deutschrunde organisiert. Mit ihm kamen zwanzig und mehr, die Deutsch lernen wollten. 

Abed. Der seinen Fingerabdruck an der ungarischen Grenze gelassen hatte auf der Flucht, darf trotzdem bleiben in Deutschland. Das war die erste gute Nachricht. Vor einem Monat. 

Abed erzählt nun – auf Deutsch – dass er gehen will. Den Platz für den nächsten Deutschkurs, den habe er schon. In einem Städtchen im Westen Deutschlands. Einen Freund dort auch. Und in der Fabrik von dessen Vater einen Job. Die zweite gute Nachricht. 

“Ich darf aber nicht gehen”, sagt er. Warum. Die Sozialarbeiterin, sagt er. Sie sagte, sie habe ihm so viel geholfen. So viel getan für ihn. Sie habe gesagt, deshalb müsse er bleiben. 

Frag’ mal

Ob sie sich noch sicher fühlen in Deutschland, soll ich fragen. Nun, da das, wovor sie geflüchtet sind, Paris erreicht hat. 

Wenn die Schweigeminuten geschwiegen, die Kerzen erloschen sind, werden wir zurückkehren zum Alltäglichen. Weil Paris zwar nah, das Geschehene dennoch unbegreiflich ist.

Die Zeit aber geht anders für jene, die ihre Menschen verloren haben. Für die, die überlebt haben. Für die, die in dieser Nacht im Einsatz waren – als Polizist, Arzt, Sanitäter, ….. .

Und ein bisschen geht sie auch anders für die, die geflüchtet sind. Weil die “Ich-schneid’- Dir-die-Kehle-durch”-Geste der vergangenen Monate auf Deutschlands Straßen vielleicht bald nicht mehr nur Geste ist. 

PalimPalim

Kurz vor Mitternacht. PalimPalim – Whatsapp. Einer von den Jungs. Es ist fast immer einer von den Jungs, wenn es palimmt. 

“I heard about some news in facebook they will send some Syrian people to hungary. I want to know if that is true or not.”

Durchatmen. Schlaf aus den Augen reiben. Dublinverfahren in die googleNews-Suche eingeben. 

“True. Muhamad. It is true. …………”

Licht an. Weitersuchen. Nachdenken. Schreiben. Dass das eigentlich kaum möglich sein wird. Weil weder Ungarn, Österreich oder Italien – weil sie die Flüchtlinge nicht zurücknehmen werden. Anführungszeichen setzen. Und hoffen, dass er das nicht missversteht. Mit dem Zurücknehmen. Weil sie – ja, weil was eigentlich. Muhamad schreibt nicht mehr.

Seine Eltern sind in Norwegen. Er ist – hier – der HansDampf in allen Gassen. Ihn fragen sie, wenn sie eine Wohnung suchen. Einen Brief nicht verstehen, in dem es heißt, der Kunde möge eine Einweisungsverfügung zur Unterkunftslage beibringen – ansonsten würden die Leistungen gekürzt. 

Muhamad hat darauf keine Antwort. Aber er kennt jemanden, der sie haben könnte. Im Amt. Bei der AWO. Dem Roten Kreuz. Oder den Maltesern. Und er kennt die Antwort, sollten sie das DublinVerfahren tatsächlich wieder konsequent anwenden. Sollten die anderen Länder die Menschen “zurücknehmen”. 

Vermutlich soll das ein Zeichen sein, schreibe ich noch. An all’ die, die noch auf dem Weg sind. Nach Deutschland. Ein Zeichen dafür, dass Schluss ist nun. Und Deutschland sich selbst nicht mehr leiden kann. ?

Notizen vom Rande

Charkiw. 50 Terroranschläge. Allein in diesem Jahr. Sagt Maksim aus dem Büro der Freiwilligen. Nicht mehr als 20. Seit Juni 2014. Sagt die stellvertretende Oberbürgermeisterin.

Kiew. Sie werden geliebt, ignoriert oder gehasst. Die Kämpfer vom Maidan. Gehasst, weil sie verantwortlich sind. Für die Krise. Die harten Reformen. Dafür, dass das Leben ein anderes ist. Nun – nach dem Maidan.

Ukraine. “Hier finden Sie ostasiatische Löhne und das Bildungsniveau des Westens.”

Ukraine. 25 Grad. Plus. Sie sorgen sich, wie tief ihnen der kommende Winter in die Tasche greift. Wie viele weitere Flüchtlinge ein kalter bringen wird.

Ukraine. Nach jedem hochgeladenen Text klingelt mein Telefon. Auf dem Display russische Handynummern.

Charkiw-Kiew. Ein Schnellzug. Pünktlich. Bequem. Auf den Bildschirmen Reklame für einen HollywoodBlockbuster. Dann taucht ein kleiner Junge seinen Pinsel in verschiedene Farben. Das Blatt füllt sich mit Tupfern. Grauen. Grünen. Braunen. Die kleinen Finger greifen zur Schere. Der Vater – er lächelt, als ihm sein Sohn die schusssichere Weste über die Uniform stülpt.

Durchhalten! Welch’ eine Parole.

293 Seemeilen. 60 Stunden. Das rechnen wir für die Überfahrt von Zante nach Catania. Sizilien. Die SiebenMeterWellen werden bis zu unserem Ablegen nicht überdauern. Der Wind – er soll uns schieben. Vom Leinen los machen bis zum Anlegen. Das aber hatten wir schon mal gehört auf diesem Törn.

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