Kaffee. Libanesische Zigarette. Balkon im fünften Stock eines Appartmenthauses in Beirut-Hamra. Gegenüber balgen acht Tauben um den besten Platz auf einem Fenstersims.
Weiße Tauben vor Fassaden mit Einschusslöchern. Auf den Dächern Beiruts trocknet Wäsche, reihen sich Wassertanks aneinander. Der Tankwagen kommt, pumpt das Wasser über Schläuche nach oben aufs Dach. Täglich, manchmal mehrmals.
“It depends on what you pay.” Ein Leitungsnetz gebe es nicht, sagt Khaled. Und die Diskussion ist im Gange. “Warum bekommt man es hier nicht hin, Infrastruktur zu schaffen? – Was meinst Du? – Na, ein Trink- und Schmutzwasserleitungssystem zum Beispiel! – Wie bei uns? Hier kommt der Tankwagen und bringt das Wasser. Is auch Infrastruktur. Und geduscht haben wir jeden Tag. Und Kaffee gekocht. Und Geschirr gespült. Warum also muss man die Straßen aufreißen – wenn es offensichtlich auch anders funktioniert?”
Anders. Manches ist anders. Wir rumpeln in einem Van Richtung Byblos, eine der am längsten besiedelten Stätten der Welt. Phönizier, Ägypter, Griechen, Römer – mehr als 7000 Jahre Menschheitsgeschichte.
Der Van ersetzt den öffentlichen Nahverkehr im Libanon. Haltestellen, Fahrplan, Ticketschalter – gibt es nicht. Prinzip Anhalter. Aber niemand muss hier auch nur den Daumen heben. Wer steht am Straßenrand, auf einer der Autobahnausfahrten oder auch nur vor einem Café, der wird angesteuert, angehupt.
Wer dann tatsächlich dort steht, um auf einen solchen Van zu warten, genannt Service, erfragt die Richtung und steigt ein oder wartet weiter auf den in die passende Richtung. Gezahlt wird beim Fahrer bei Ausstieg. Gehalten wird auf der vorgegebenen Strecke dort, wo der Fahrgast aussteigen will.
Nicht immer kommt der Fahrgast so direkt von A nach B. Inoffizielle Knotenpunkte durchziehen Land und Städte. Also steigen auch wir aus, fragen den Mann hinterm Steuer eines anderen Vans, ob er gen Byblos fährt. Er nickt. Wir steigen ein. Und nehmen Platz direkt hinter dem Fahrersitz. Es ist kaum auszumachen, wo Beirut aufhört, Harissa beginnt, Harissa aufhört, Jounieh beginnt, so dicht die Bebauung an der Mittelmeerküste, die sich hinaufzieht bis in die Berge.
Im Libanon gilt auf den Straßen nur eine Regel: Jeder kann jederzeit in jede Richtung fahren. Abbiegen, Spurwechsel, Straße kreuzen, Kreisverkehr befahren – in der Stadt einfach langsam ans Manöver ranfahren, freundlich Hupen und den Weg fortsetzen.
Fürs Überholen auf der Autobahn hat unser Fahrer verschiedene Methoden. Die in Europa bekannte: Linke Spur benutzen und vorbei. Wer aber blinkt, ist als Europäer auszumachen. Die von unserem Fahrer favorisierte: Die Lücke zwischen den Wagen in linker und rechter Spur mit freundlichem Hupen verbreitern und zwischendurch. Die von uns mit aufgerissenen Augen verfolgte: Wir links, vor uns ein Lkw ein paar Meter voraus, Pkw rechts auf gleicher Höhe mit gleicher Geschwindigkeit. Gas geben, dem Lkw bis ans Heck auffahren, die drei Meter Fahrbahnlängenlücke zwischen Lkw und Pkw füllen mit beherztem Ausscheren. Schwere Unfälle gebe es im Libanon am häufigsten nur wegen Alkohols am Steuer.