“If I sign this, my ship belongs to you, doesn’t it?!” Der Polizist im Hafenbüro mit der blauweißen Treppe hinan lacht. In knapp zwei Stunden wollen wir auslaufen – nach Limassol. Die Männer wollen die genaue Zeit wissen. Die ganz genaue. Es ist das dritte Mal an diesem Abreisetag, dass uns ein Polizist danach fragt.
Auf dem Bildschirm, auf dem sie die Sandine schon Stunden vor Ankunft in Latchi beobachtet haben, verkündet ein roter Punkt um den anderen reichlich Verkehr an der Südküste Zyperns. Immerhin wird es bereits hell sein, wenn wir dort eintreffen.
Drei Mal setzt Michael seinen Namen unter schwarz bedruckte Bögen. Zuvor mühselig vom Officer ausgefüllt in WordVorlagen. Passport?! Ich schüttele den Kopf. Der liegt auf dem Boot. Er winkt ab.
Wohin genau es gehen soll, wollen die Beamten stattdessen wissen. Welchen Kurs wir nehmen werden, auch. Nicht weiter als drei Seemeilen entlang der Küste, ist der Plan. Der Officer mit der “2247” auf dem linken Oberarm nickt. “It’s better for you.” – “Because of refugees?” – “Because of all.”
Als wir die Sandine von der Slip nehmen, stehen die beiden Männer hinter uns auf der Pier. Dann ein Funkspruch: “This is Latchi Marine Police! Tell something!” – “This is Sandine. Thank you for your hospitality!”
Es ist das erste Mal, dass Michael, der Mann mit den 94 Häfen in neun Monaten, sich mit genauer Uhrzeit und einem Funkspruch verabschieden muss. Die Männer aus der kleinen Taverne im Bergdorf kommen uns in den Sinn. Deren Angst vor dem türkischen Spion.
Die Sterne über uns interessiert das alles wenig. Der große Wagen hält seine Deichsel ins Meer. Wie eine Teeschale steht die Sichel des Mondes am Himmel. Am Horizont verschwindet das Blinken eines Tankers. Wüssten wir es nicht besser, ist er am Ende der Scheibe hinuntergefallen.
Die zweite Wache für mich beginnt mit Tagesanbruch. Voraus eine gelbe Tonne. DZ-West. DangerZone? Keine Ahnung. Lieber an backbord nehmen. Ich falle drei Grad ab. Ein Blick zurück. Drei schwarze Schiffe. Ein Hubschrauber steigt in die Luft. Ein Scheinwerfer. Plötzlich sind uns die fünf Knoten Fahrt zu wenig. Wir ziehen weiter. Der Hubschrauber bleibt.
Wir nehmen Kurs auf die Bucht vor Limassol. Tanker auf Reede. Tanker auf Fahrt. Funkspruch folgt auf Funkspruch. Bis Michael sagt: “Meinen die uns?” Wir lauschen. Hinter uns das Rattern von Rotorblättern. An backbord der Hubschrauber, den wir zurückgelassen glaubten. Aus dem Funkgerät der elegante Singsang der Briten. “This is Sandine. Sorry, Sir, we didn’t understand.” Der Heli zieht vier Kreise über dem Schiff. Wir winken. “Maintain course and speed!” Michael umfasst das Steuer. Als misstraute er seinem Autopiloten. Es wäre das erste Mal. Die nächste Ansage. Michael legt das Funkgerät beiseite. “Habe ich das richtig verstanden? Sie wollen einen Mann auf das Schiff hinabseilen?”
Wir hatten also Superman Shawn Clark an Bord. Für wenige Augenblicke nur. Die Rettungsübung der Royal Navy – sie hat eins A funktioniert. So bleibt uns die Hoffnung, dass es den Mannen um Shawn nicht nur gelingt, bei Windstärke drei bis vier auf der halben Quadratmeter großen Badeplattform der Sandine zu landen, sondern auch die Flüchtlinge, die drei Stunden zuvor knapp 40 Seemeilen von uns über Funk als vermisst gemeldet worden sind. “Refugees – give signal – don’t worry.”
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