Eine Woche St. Laurent du Maroni. Eine Woche lang darüber nachdenken, wie es möglich ist, dass zehn Jahre alte Mädchen Kinder entbinden im Central Hospitale. Mitten in europäischem Recht, das Frankreich über diesen Flecken Erde ausgebreitet hat. Mitten in europäischem Recht, das Sex mit Minderjährigen unter Strafe stellt. Micha und ich haben die 450-Euro-Bäuche nicht gezählt, denen wir in diesen sieben Tagen in den Straßen von St. Laurent begegnet sind. Die in ein paar Wochen oder wenigen Monaten auf der Entbindungsstation von Ärzten fachmännisch geleert werden. Warum meldet das niemand?
David hat sich zu uns gesetzt an meinem letzten Abend in der kleinen Marina am Maroni. Die Yachten dümpeln im Fluss an den Bojen. Die Segler sind versorgt mit Bier, Panini, Gas und Wifi. David hat das Personal aufgestockt. Das EinzimmerAppartement in St. Laurent kostet 600 Euro mindestens – und will bezahlt sein. Also brauchen die jungen Menschen hier einen Job. Oder ein Kind. Dann zahlt die junge Familie 20 Euro im Monat. Die französische Regierung den Rest.
Frankreichs Rechtsaußen, Marine Le Pen, hat St. Laurent besucht. Gerade einen Monat ist das her. Dass sie auf die Stimmen der überwiegend schwarzen Bevölkerung setzt, ist nicht zu vermuten. Die Weißen in FrenchGuyana aber loben bereits jetzt allein Le Pens Anwesenheit. Dass sie kommt und zuhört, dass sie Lösungen anbietet für den Wilden Westen unter französischer Flagge.
Dennoch blicken Micha und ich ungläubig zu David, als der unumwunden sagt, die Ärzte hätten Angst. Sie hätten Angst, Geburten bei Minderjährigen zu melden – weil die locals ihnen sonst das Auto zerkratzen, weil sie ihnen die Knochen brechen oder sie ausrauben. “They were sent here. They do their job for a period of time, take the money and leave again.” Paris ist weit weg.
Und doch so nah. 12 Stunden mit dem Flugzeug von Cayenne. Dorthin geht eine zweimotorige Propellermaschine. Die Klappsitze sind mit blauem Kunstleder überzogen. Der Pilot eine Armlänge entfernt. Zwei Mal landen wir zwischen auf dem Weg in die Hauptstadt. Züge gibt es nicht, ein Busnetz durch den dichten Dschungel auch nicht. FrenchGuyana sieht aus von oben wie ein riesiger Brokkoli.
In der Marina machen Micha und die beiden Franzosen sich bereit für den Törn nach Trinidad. Auf der Einkaufsliste stehen ausreichend Liter Wasser. David, der weit Gesegelte, empfiehlt die Sandine in einer befreundeten Marina. Die letzte CrewWäsche rumpelt in der Trommel des Büros. “There is no perfect place in the world”, sagt David. Er wird die Marina ausbauen. Stege verlegen, das Café erweitern. “It’s development – that’s the good thing about the Wild West in FrenchGuyana.”