Kurz nach halb sechs in der Früh’. Im Hafen von Kythera reißt der Schwell an Sandine. Micha und ich stehen gleichzeitig auf. Haben seit dem Zubettgehen kein Auge zu gemacht. Ziehen mit Kopfschmerzen die Leinen nach. Sehen mit an, wie Wellen das Boot gut einen Meter heben und senken. An die Pier drücken.
Dort bleibe ich sitzen. Im Windschatten der Wellenbrecher. Schlafen hat so keinen Sinn. Dabei täte ein wenig Ruhe uns allen gut. 24 statt zehn Stunden haben wir für den Weg von Kreta nach Kythera gebraucht. Haben uns auf die Vorhersage verlassen. Achterlichen Wind. Kaum Welle. Hochschießen wollten wir in den Hafen des Städtchens auf der Insel. Stattdessen gibt’s den Wind eine Stunde nach dem Ablegen um Mitternacht nur noch von vorn. Jede zweite Welle eine Ganzkörperdusche. Warmes Salzwasser, das sich in einer festen Kruste über die Wangen legt und in den Augen brennt. Für alle heißt es, selbst Ruder gehen. Der Autopilot streikt noch immer.
Zwei Mann eine Wache. So war es geplant auf diesem entspannten Törn. Micha, der zweite, bleibt unter Deck. Hat seinen Magen wiederholt entleert in die Wellentäler. Kein Segel treibt uns voran. Der Motor stampft. 2,4. 1,7 Knoten. Null Knoten Fahrt. Den Blick auf den Geschwindigkeitsmesser – wir vermeiden ihn irgendwann. Also Fotos machen. Video drehen. Ach. Wer will schon sehen und hören, wie Sandine nach dem Ansteigen auf einen der Wellenberge aufs Wasser kracht. Den Gedanken daran, ob sie wohl zerbirst, sieht man ohnehin nur in unseren Gesichtern. Wer will schon sehen, wie Andy sich bei Freiwache in seiner Koje auf den Bauch legt, die Arme angewinkelt und ausgestreckt zur Seite – um nicht wie alles andere durch die Kajüte zu fliegen. Wer, wie im Salon ein kleiner Süßwassersee hin- und herschwappt. Gespeist offenbar durch ein Leck im Bugtank. Wer, wie Michael, der erste, vor der Hafeneinfahrt im Stockfinstern auf Höhe eines Felsens nach seiner Crew brüllt, die entkräftet unter Deck im Tiefschlaf die Ankunft erwartet. Am Ende lassen wir ihn doch nicht im Stich. Schreckt uns das Brüllen hoch und an Deck. Wir machen fest im Schwell an der Pier.
Dort parken nun kurz vor sechs zwei Insulaner ihren Wagen. Bewaffnet mit Angel und Zigarette. Kalt, fragen sie, indem sie mit den Händen an den Oberarmen entlang rubbeln. Nein, schüttele ich den Kopf. Und merke, dann wie kalt mir wirklich ist. Dann hebt der Schwell zwei Fender empor. Die Sandine schlägt längsseits an die Pier. Fender neu positionieren. Und schon ist mir warm. Und Saninde hundeelend.
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