Verplant. Und erwachsen.

Das Jahr ist gerade vier Wochen alt. Vieles war wie im vergangenen. Nur Freitag, der 13., brachte was  Neues. Die NiF.

Nachricht im Film ist den etablierten Kollegen zu lang. Deshalb wird daraus kurzer Hand die NiF. 25 – 30 Sekunden Bewegtbild und ein Text, in dem der Autor eigentlich kaum mehr sagen kann, als dieses und jenes hat dort und dann stattgefunden. Der war dabei, und das wird kommen. Punkt.

Dass diese 25 – 30 Sekunden gut 24 Stunden meines Lebens – des wachenden und des verschlafenden – beeinflusst haben, mag sich jeder vorstellen, der bislang mit Stift, Zettel und Mikrophon unterwegs war. Allein. Ganz ohne Team.

Meinem Team – den Vornamen nach Franzose und Engländer – begegnete ich das erste Mal ein paar Stunden vor der NiF-Premiere. Sie würden mir meinen Erstling schon versauen, waren sich die Männer einig. Prima – wir betrachten das Leben durch die gleiche Kamera, dachte ich. Und wir hatten Spaß.

Die Bilder waren im Kasten, die Töne für die Atmo auch. Wir reisten ab. Und dann folgten alle Erstlingsfehler, die ein Erstling machen kann. Ich hoffe, dass es alle waren. Doch die erste Aufregung meines 2012 flimmerte pünktlich in 25 Sekunden durch das Nachrichtenmagazin.

Und so wurde es Zeit, die restlichen Wochen im Jahr 2012 anzusehen. Welche Aufregungen erwarten mich. Und ich stellte fest, dass keines meiner bisherigen Lebensjahre derart verplant war von Beginn an wie dieses. Und mich überkam das absurde Gefühl von Erwachsensein. Das Leben verplanend. Die Zeit bändigend. Strukturierend. Wissend, was wird.

Dabei habe ich stets versucht, dieses Gefühl von mir fern  zu halten. Ich verzichte seit dem Auszug nach dem Abitur auf ein Sofa. Sofa ist sesshaft. Ist Stillstand. Besitze nicht mehr als vier Frühstücksteller. Wer bei mir übernachtet,  muss sich ein Kissen mitbringen. Gerade so viel an Alltagsutensilien besitze ich, dass die Umzugskartons in zwei Tagen gepackt sind.

Und nun: Ist das Jahr 2012 durchgestylt im Duktus monatlicher Ereignisse. Im Rythmus von Starten und Landen. Reisen. Europa, ich komme.

 


Verplant. Verreist. auf einer größeren Karte anzeigen

Zu gut. Zu rechts. Und noch nicht übern Berg.

Es ist ja nicht so, dass man den Kopf nicht voller Gedanken hätte, die einen selbst betreffen. Die Arbeit. Familie. Das Liebesglück.

Aber die Stimmung an deutschen Glühweinständen ist  in diesem Jahr eine andere. Da steht kaum jemand, der einem ungefragt Amaretto-Blue in Form von Eheproblemen oder allgemeingültiger Wut in die Tasse speit.

Die Deutschen haben derzeit andere Themen. Zu Guttenbergs Rückkehr. Den Rechtsextremismus sowieso. Und selbst Hartz IV als Systemfehler diskutieren die Menschen mit schweren Lippen. Dabei ruft gerade keine der großen Gewerkschaften zu Demos dagegen auf.  Passiert da etwa was? Passiert da was in den Köpfen?

Nun. Über zu Guttenberg mag ich mich gar nicht äußern. Dieser Mann berührt weder meine Geschmacksnerven noch meinen Wutsinn. Er interessiert mich nicht. Und der mediale Umschlag, der sich um ihn legt wie Haferbrei, auch nicht.

Der Rechtsextremismus und die Art, wie wir mit ihm umgehen, berühren mich da schon eher. Beides weckt die Wut. Und die Angst.

Zu Zeiten der RAF sei es gewesen, dass letztmals landesweit Menschen von Fahndungsplakaten an Laternenmasten, Litfasssäulen oder in Straßenbahnen hinunterstierten. Von denen, die nun zu sehen sind, sind zwei in die Luft geflogen. Eine sitzt im Gefängnis. Die suchen sie nicht mehr. Wen dann.

Wie viele Mitglieder dieses sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds vernichten gerade Beweismaterial. Wie viele von ihnen putzen ihre Waffen und basteln an Sprengsätzen. Welche von den Braunen sind unsere Nachbarn.

Sind es die, die ihr Obst beim “Fidschi um die Ecke” kaufen. Oder die, die “gegen Ausländer nichts haben”, ihre Tochter aber bitten, den Russen nicht mit nach Hause zu bringen. Oder sind es die, die den neuen Spanier meiden, weil er keine Pommes mit Schnitzel serviert. Oder die, die von “Dönermorden” sprechen und schreiben, während Menschen ums Leben kamen.

Und: Ist das alles ein Problem des Osten? Ja, sagt ein Freund. Dem habe das reinigende Gewitter der 68er-Bewegung gefehlt. Nein, sage ich. Es ist ein Problem der Deutschen.

Ein Volk, das bei einem Vorrundenspiel der Deutschen Fußballnationalmannschaft – bei der EM 2012 werden wir es nach der aktuellen Auslosung wohl kaum erleben – bei jedem Tor hupend und geeint durch die Straßen tobt, aber wenn es darauf ankommt, seine Rechte wahrzuehmen, den Arsch nicht hochkriegt, hat keinen Mumm. Dieses Volk hat nicht nur keinen Mumm – es hat auch kein Rückgrat.

Es lässt sich übertöpeln von politischen Entscheidungen. Von Hartz IV. Vom Kriegseinsatz in Afghanistan. Von der Vorratsdatenspeicherung. Es lässt sich führen. Auch zum Schafott.

Was eint die Menschen in diesem Land noch. Ich weiß es nicht.

Ein Sternchen für Felix

Es wird kein Foto geben in dieser Geschichte. Und auch keinen Namen. Jedenfalls keinen richtigen. Ich werde zum ersten Mal ein Sternchen hinter Felix setzen. Ein Sternchen für “Name von der Redaktion geändert”. Der Leser wird nicht erfahren, wo die Geschichte spielt. Nur wie sie spielt. Die Geschichte von Felix.

Fast 16 Jahre ist er alt. Groß wie ein Mann. Und massig. Hinter der aufgeworfenen Oberlippe stößt die Zunge an die schiefen Zähne. Manchmal. Bei Worten wie “Deutschland”. “Scheiße”. “Geschnetzeltes”.

Felix arbeitet. In einem Projekt für benachteiligte Jugendliche sticht er Spaten in die Erde, reißt Sträucher raus oder hackt Holz. Sein großer Bruder passt auf, dass er morgens pünktlich am Treffpunkt ist. Dort, wo die Betreuer mit ihm den Tag beginnen. Mit ihm und den anderen.

Sein großer Bruder ist bekannt – dort, wo Felix lebt. Polizeibekannt. Deshalb, sagt Felix, sollte aus ihm ja immer etwas Besseres werden. Längst stehen Raub, Körperverletzung, Diebstahl in seiner Akte. Dass er trotzdem Sträucher rausreißen und Holz hacken darf, verdankt er dem Jugendstrafrecht. Die falschen Freunde, sagt Felix. Und klingt wie einer der Sozialarbeiter, die sich um ihn kümmern. Die Freunde brachten ihm bei, Autos zu knacken, Passanten zu überfallen, Zigaretten zu drehen.

Nun hat Felix neue Freunde. Sie nehmen ihm die Zigaretten weg und den Alkohol. “Die achten auf meine Gesundheit, auf die kann ich mich verlassen”, sagt er. Felix isst auch keine Pizza mehr. Keinen Döner. Und schon gar nicht bei McDonald’s. “Besatzerfraß”, sagt er.  Dieses Wort haben sie ihm  beigebracht. Die neuen Freunde.

In der Akte steht nun auch Volksverhetzung. Doch Felix ist gut informiert. Die Hakenkreuze auf seinem Handydisplay zeigt er nur dem, den er nicht fürchtet. Aber dort, wo Felix lebt, fürchten sie ihn. Denn die neuen Freunde stehen hinter ihm. Allen voran der mächtigste. Der große Bruder.

Sie brachten ihm bei, Menschen zu jagen und auf sie einzuschlagen. “Prügeln”, sagt Felix, “hilft, Rachegefühle zu entwickeln. Den Körper zu spüren. Um im richtigen Moment das eigene Leben zu riskieren – für das Deutsche Reich.”

Sie brachten ihm auch bei, zu singen. Strophe für Strophe und mit rauer Stimme. Lieder von Vaterland und Sturmbannführer. Davon, dass die Bäume nicht ausreichen, um alle Türken daran aufzuhängen. Er lacht dabei. Und weicht Fragen nicht aus. Warum er glaubt, dass es den Holocaust nicht gab? Ein Video habe er gesehen. In Auschwitz sei er gewesen. “Wie die die Juden dort gemeuchelt haben sollen – das ist krank. Das ist gestört.”

Felix freut sich auf einen Tag in zwei Wochen. Dann treffen sich seine Freunde von nah und fern. Im Wald hinter dem Dreesch. Einem Plattenbauviertel, in dem der Putz von den Wänden bröckelt. Dort zwischen den Bäumen wird Frank Rennicke auf der Bühne stehen. Er wird auf seiner Gitarre zupfen. Und Lieder singen – von Heimat, Zusammenhalt. Von seinen und der anderen Toten, die für Hitler ihr Leben ließen. Von Rudolf Heß. Und Felix wird seinen kleinen Augen zusammenkneifen. Ein wahrer Bursche wie er – dem tränen nie die Augen. Der weint nicht. Nein.

Ich weiß, wo Du Deine Unterhöschen kaufst

Facebook war der Süddeutschen gestern eine ganze Seite wert. Mal wieder. Es ging – auch mal wieder – um den LikeButton.

Ich erinnere mich kaum mehr daran, auf welche Art und Weise Mark Zuckerberg mich zwang, eine Mailadresse und ein Passwort rauszurücken. Schmerzhafte Foltermethoden sind etwas, das ich verdränge. So wie alles Schlechte, an das sich ungern erinnert wird. Ich ergab mich und hatte fortan ein Profil.

Und irgendwann fing ich an, darüber nachzudenken, was facebook über mich weiß. Dass ich Journalistin bin. Gern ein Bier trinke. Dass ich nachts versuche, einen DoppelBull zu treffen. Oder beim Abendsegeln romantischen Anwandlungen erliege. Fotos. Sagen mehr als Tausend Worte.

Und es begab sich, dass mir der See vor der Haustür nicht mehr genug war. Ich wollte ein wenig weiter. Wollte einen Flug buchen. Und beantragte eine Kreditkarte. Die Dame am Telefon, die meinen Antrag auf selbige bearbeitete, fragte mich, wieviel Geld auf meinem Konto sei. “Das wissen Sie doch ganz genau.” Schweigen. Stammeln. Räuspern. Wut meinerseits.”Für wie blöd halten Sie mich.”

Ich bekam die Kreditkarte und flog davon. Und hatte genug Zeit mir darüber Gedanken zu machen, was meine Bank über mich weiß. Als Durchschnittsbürger zahle ich durchaus auch mal mit EC-Karte. Meine Bank weiß also:

– wohin ich geflogen bin.

– dass ich Buchhandlungen plündere.

– wieviel Steuern ich zahle. Oder zurückbekomme.

– wo ich tanke – ergo, wo ich mich aufhalte.

– an wen ich meine Miete zahle.

– in welchem Supermarkt ich einkaufe und wie oft.

– bei welchem Provider mein Netz angemeldet ist.

– mit welchem Anbieter ich telefoniere.

Dass meine Bankdaten sicher sind, davon bin ich überzeugt. Das is so ähnlich wie bei facebook. Nur die Mitarbeiter werten das aus. Und wenn mal einer Geld braucht, naja – dann weiß eben auch noch jemand anderes, wo ich meine Unterhöschen kaufe. Macht ja nix.

Getippt. Und verraten. + Nachtrag

 

Schrift ist etwas Elementares. Erst recht die Handschrift. Die auf das Papier getinteten Buchstaben. Ob leserlich oder unleserlich, war für mich nie die Frage.

Viel entscheidender: In welcher Neigung landen sie im Kalender. Auf einem Schmierzettel. Oder in einem Liebesbrief. Links gekippt geht nicht. Links gekippt und dazu “a”, “u” und “e” in breiten Rundungen geht gar nicht.

So einfach habe ich mir das mal gemacht. Die Leute allesamt über einen Buchstaben geschert. Dass es tatsächlich Untersuchungen darüber gibt, was das Schriftbild über einen Menschen aussagt, weiß ich wohl. Einem Graphologen werde ich meine Buchstaben dennoch nicht vorlegen. Einem kostenlosen OnlineGraphologen schon mal gar nicht.

Schrift/Abbildung: Parole von www.fontshop.de
Schrift/Abbildung: Parole von www.fontshop.de

Ausgangspunkt für diese Gedanken: Die Recherche für ein Projekt. Nun könnte ich mich in diesem Zusammenhang über ein CMS auslassen, das den Mittelteil im Worte nicht wert ist. (Reichlich viele “nicht” in diesem Post – umwandeln, bitte.) Aber ich lasse das mal beiseite. Dennoch ist es dieses CMS, das mich zu dieser Recherche gezwungen hat.

Nein. Ich werde nicht rebellieren. Der Juno ist längst vergangen. Es. Ist. November. Und den Termin hätte ich bis dahin längst vergessen. Und den Schäuble vermutlich auch.

Ich suche Schrift. Genauer gesagt, Schrifttypen. SchreibmaschinenSchrifttypen. Um ganz genau zu sein. Und bin sehr erstaunt, was sich da alles im Netz findet. Wer auch mal danach sucht, kann sich etwa auf nachfolgenden Links umsehen:

fontriver.com oda

myfont.de oda

schriftarten-fonts.de.

Runde gibt’s da auch. …

NACHTRAG

Ok. Ich konnte es nicht lassen. Und habe diesen Test gemacht. Und nachfolgenden Text in der mir eigenen Handschrift zu Papier gebracht.

Und das Ergebnis der OnlineGraphologie sagt dazu:

“Die Deutung der Handschrift brachte folgendes Ergebnis:

Nicole Buchmann ist selbstbewusst und bereit,
ihre Stärken auch anderen zu zeigen.
Sie ist locker und großzügig.

Chefs sind nun mal so.

Sie ist sinnlich, warmherzig, gemütlich und phantasievoll.
Im Großen und Ganzen wirkt sie gelassen bis uninteressiert,
wenn sie aber von einer Sache überzeugt ist, überrascht sie
ihre Umwelt durch ihr überschwängliches und begeisterungsfähiges Auftreten.

Sie ist lebhaft und kontaktfreudig.
Mit viel Verständnis für die Belange anderer.

Sie arbeitet sehr genau und zeichnet sich durch rationales, analytisches Denken aus.

Nicole Buchmann wirkt oft etwas nervös und wenig entspannt.


Diese Deutung wurde auf den Seiten von www.graphologies.de erstellt.”

Geschrieben. Und verraten.