Ein Sternchen für Felix

Es wird kein Foto geben in dieser Geschichte. Und auch keinen Namen. Jedenfalls keinen richtigen. Ich werde zum ersten Mal ein Sternchen hinter Felix setzen. Ein Sternchen für “Name von der Redaktion geändert”. Der Leser wird nicht erfahren, wo die Geschichte spielt. Nur wie sie spielt. Die Geschichte von Felix.

Fast 16 Jahre ist er alt. Groß wie ein Mann. Und massig. Hinter der aufgeworfenen Oberlippe stößt die Zunge an die schiefen Zähne. Manchmal. Bei Worten wie “Deutschland”. “Scheiße”. “Geschnetzeltes”.

Felix arbeitet. In einem Projekt für benachteiligte Jugendliche sticht er Spaten in die Erde, reißt Sträucher raus oder hackt Holz. Sein großer Bruder passt auf, dass er morgens pünktlich am Treffpunkt ist. Dort, wo die Betreuer mit ihm den Tag beginnen. Mit ihm und den anderen.

Sein großer Bruder ist bekannt – dort, wo Felix lebt. Polizeibekannt. Deshalb, sagt Felix, sollte aus ihm ja immer etwas Besseres werden. Längst stehen Raub, Körperverletzung, Diebstahl in seiner Akte. Dass er trotzdem Sträucher rausreißen und Holz hacken darf, verdankt er dem Jugendstrafrecht. Die falschen Freunde, sagt Felix. Und klingt wie einer der Sozialarbeiter, die sich um ihn kümmern. Die Freunde brachten ihm bei, Autos zu knacken, Passanten zu überfallen, Zigaretten zu drehen.

Nun hat Felix neue Freunde. Sie nehmen ihm die Zigaretten weg und den Alkohol. “Die achten auf meine Gesundheit, auf die kann ich mich verlassen”, sagt er. Felix isst auch keine Pizza mehr. Keinen Döner. Und schon gar nicht bei McDonald’s. “Besatzerfraß”, sagt er.  Dieses Wort haben sie ihm  beigebracht. Die neuen Freunde.

In der Akte steht nun auch Volksverhetzung. Doch Felix ist gut informiert. Die Hakenkreuze auf seinem Handydisplay zeigt er nur dem, den er nicht fürchtet. Aber dort, wo Felix lebt, fürchten sie ihn. Denn die neuen Freunde stehen hinter ihm. Allen voran der mächtigste. Der große Bruder.

Sie brachten ihm bei, Menschen zu jagen und auf sie einzuschlagen. “Prügeln”, sagt Felix, “hilft, Rachegefühle zu entwickeln. Den Körper zu spüren. Um im richtigen Moment das eigene Leben zu riskieren – für das Deutsche Reich.”

Sie brachten ihm auch bei, zu singen. Strophe für Strophe und mit rauer Stimme. Lieder von Vaterland und Sturmbannführer. Davon, dass die Bäume nicht ausreichen, um alle Türken daran aufzuhängen. Er lacht dabei. Und weicht Fragen nicht aus. Warum er glaubt, dass es den Holocaust nicht gab? Ein Video habe er gesehen. In Auschwitz sei er gewesen. “Wie die die Juden dort gemeuchelt haben sollen – das ist krank. Das ist gestört.”

Felix freut sich auf einen Tag in zwei Wochen. Dann treffen sich seine Freunde von nah und fern. Im Wald hinter dem Dreesch. Einem Plattenbauviertel, in dem der Putz von den Wänden bröckelt. Dort zwischen den Bäumen wird Frank Rennicke auf der Bühne stehen. Er wird auf seiner Gitarre zupfen. Und Lieder singen – von Heimat, Zusammenhalt. Von seinen und der anderen Toten, die für Hitler ihr Leben ließen. Von Rudolf Heß. Und Felix wird seinen kleinen Augen zusammenkneifen. Ein wahrer Bursche wie er – dem tränen nie die Augen. Der weint nicht. Nein.

Ich weiß, wo Du Deine Unterhöschen kaufst

Facebook war der Süddeutschen gestern eine ganze Seite wert. Mal wieder. Es ging – auch mal wieder – um den LikeButton.

Ich erinnere mich kaum mehr daran, auf welche Art und Weise Mark Zuckerberg mich zwang, eine Mailadresse und ein Passwort rauszurücken. Schmerzhafte Foltermethoden sind etwas, das ich verdränge. So wie alles Schlechte, an das sich ungern erinnert wird. Ich ergab mich und hatte fortan ein Profil.

Und irgendwann fing ich an, darüber nachzudenken, was facebook über mich weiß. Dass ich Journalistin bin. Gern ein Bier trinke. Dass ich nachts versuche, einen DoppelBull zu treffen. Oder beim Abendsegeln romantischen Anwandlungen erliege. Fotos. Sagen mehr als Tausend Worte.

Und es begab sich, dass mir der See vor der Haustür nicht mehr genug war. Ich wollte ein wenig weiter. Wollte einen Flug buchen. Und beantragte eine Kreditkarte. Die Dame am Telefon, die meinen Antrag auf selbige bearbeitete, fragte mich, wieviel Geld auf meinem Konto sei. “Das wissen Sie doch ganz genau.” Schweigen. Stammeln. Räuspern. Wut meinerseits.”Für wie blöd halten Sie mich.”

Ich bekam die Kreditkarte und flog davon. Und hatte genug Zeit mir darüber Gedanken zu machen, was meine Bank über mich weiß. Als Durchschnittsbürger zahle ich durchaus auch mal mit EC-Karte. Meine Bank weiß also:

– wohin ich geflogen bin.

– dass ich Buchhandlungen plündere.

– wieviel Steuern ich zahle. Oder zurückbekomme.

– wo ich tanke – ergo, wo ich mich aufhalte.

– an wen ich meine Miete zahle.

– in welchem Supermarkt ich einkaufe und wie oft.

– bei welchem Provider mein Netz angemeldet ist.

– mit welchem Anbieter ich telefoniere.

Dass meine Bankdaten sicher sind, davon bin ich überzeugt. Das is so ähnlich wie bei facebook. Nur die Mitarbeiter werten das aus. Und wenn mal einer Geld braucht, naja – dann weiß eben auch noch jemand anderes, wo ich meine Unterhöschen kaufe. Macht ja nix.

Manches hängt nach

Ich  hatte vor kurzem über einen Urlaub geschrieben. Verdichtet zwar. Aber er hängt mir nach.

Am vergangenen Wochenende hingegen war ich in einem Ort südöstlich von Schwerin, um eine Reportage über das einzige sozialistische Musterdorf zu schreiben. Auch diese Stunden hängen mir nach. Warum, lest Ihr hier.