Sie ist ein wenig überstürzt – die Abreise aus Kythera. Doch der Anblick der hin- und hergerissenen Sandine duldet keinen Aufschub. Kurz nach vier am Nachmittag legen wir ab von der Pier. Mit Kurs auf Zakynthos. 28 Stunden. Wenn das Wetter mitspielt wie vorhergesagt.
Am Ruder sind wir nur noch zu dritt. Michael, der zweite, will die Verpflegung übernehmen. Bananen sind kiloweise an Bord. Kretische Wurst und Brot sollen uns auf der Überfahrt bei Laune halten. Weil auch auf diesem Törn der Wind die meiste Zeit von vorn kommen wird. Wir gehen auf Kurs. “280! – Is das der Kurs auf die Steine?! – Nein, der is 300!”
Andy will Segel setzen. Micha, der erste, winkt ab. Auf die Kreuz – naja, denke auch ich. Am Ende stehen Groß und Genua. Schießen wir im ZickzackKurs gen Süden. Gen Norden. Gen Süden. Müssen die Genua auf die andere Seite holen – schiften. Kräfte raubend ist das. Und ich will nach der durchwachten Nacht eigentlich nur friedlich in Lee schlafen.
Irgendwann haben die Männer genug experimentiert. Meine nächste Wache steht an. Zwei Stunden Ruder. Eine Stunde schlafen. Eine Stunde Standby. Zwei Stunden Ruder. Eine Stunde schlafen. Eine Stunde Standby. Eine Stunde … Mondenschein liegt auf dem Wasser. Fähren. Frachter. Ansonsten Stille. Und Sandines Motor, der uns bei niedrigen Wellen gen Westen voranbringt. Das Groß stabilisiert.
Wir kommen vorwärts. Seemeile um Seemeile. Eine gute Erfahrung nach dem Stillstand inmitten der Wellen von Rethymnon-Kythera. Meine Schlafensstunde verbringe ich an Deck. Dösend. In den Himmel träumend. Diesen einen Mond betrachtend. Ein Fehler, wie ich morgens gegen vier Uhr merke. Als ich unter zwei Decken nicht mehr aufhöre zu zittern. Den Sonnenaufgang im Rücken die nächste Wache am Ruder. Groß ist das Schweigen. Groß die Erschöpfung bei Andy, Michael und mir. Noch etwa 18 Stunden. Sagt das NaviTool.
Die Sonne steigt. Und wärmt. Wir werden wieder munter. Andy macht Müsli. Mit frischem Obst. Und stellt seine Fähigkeiten als junger Vater unter Beweis, als er mir Löffel um Löffel des belebendes Mahls in den Mund schiebt. Ich brauche die Hände am Steuer. Und für Michael, den zweiten, ist es die erste Überfahrt, die er genießen kann. Schlafend im Cockpit unter der MittelmeerSonne.
Sechs Stunden später eine Insel am Horizont. Unsere? Ist das tatsächlich schon Zakynthos? Die Aussicht löst die Zungen. Kotelett mit Pommes. Darauf freut sich Michael, der erste. Von Rahmschnitzel mit Spätzle träumt Andy, die bayerische RegattaHoffnung. Ich habe Freiwache und will sehen, was sich machen lässt. Die beiden Jungs haben Fantasie. Lassen sich Kotelett und Rahmschnitzel schmecken, die ich vom Niedergang aus hinaufreiche ins Cockpit. Sie schmecken nach Banane. Andy und Micha – sie lassen sich nichts anmerken.
Zakynthos naht. Und wir gestehen einander die nächtlichen Erlebnisse beim Ruder gehen. Wenn der Rücken schmerzt. Die Knie auch. Die Müdigkeit die Augenlider niederdrückt. Die feuchte Kälte unter die vier Lagen bis auf die Haut kriecht. Tatütataaaah. Tatütataaaah. Dröhnt mir es dann durch den Kopf. Das Geheul der Sirenen lähmt die Konzentration auf den Kompass. Andy kennt das auch. Grün leuchtend sei etwas des nachts am Boot vorbeigezogen. “Plankton”, sagt Michael, der erste. “Und die Lämmer?”, fragt Andy. “Das Blöken der Lämmer?” Sind Andys Sirenen. Sind unsere Halluzinationen auf See.