Ein paar Stunden Brasilien. Zwischen Englisch, Französisch, Deutsch und obrigada. Das portugiesische Danke brauchen wir oft auf unserem Weg durch die Instanzen. Wir bereiten das Ablegen vor. 10 Uhr Policia Federal. Zwei schwer bewaffnete Polizisten. Zwei Frauen hinterm Empfangstresen, über den immer mal wieder eine Tüte wandert, und ein Flatscreen an der Wand. Wir erfahren aus den brasilianischen Nachrichten, dass ein Polizeiwagen mit einem Omnibus kollidierte, ein offenbar in Brasilien sehr bekannter Mann mit seinem Motorrad tödlich verunglückte, dass die Istanbuler Schneemänner bauen auf der Straße. Wintereinbruch in Europa. Wir dürfen ein brasilianisches Popsternchen dabei begleiten, wie es mit einer blonden, braungebrannten Moderatorin übers Leben schwatzt. Lernen, dass ein Forscher das ultimative Mittel gegen Diabetes 2 gefunden hat. Offenbar verbunden mit einer Operation im Bauchraum. Mein Portugiesisch lässt keinen anderen Schluss zu. Eine Stunde und vier Minuten später treten wir hinaus in die Sonne. Die Officer haben die Pässe unserer Weltreisenden Flo und Franco gründlich gecheckt. Sehr gründlich. “Schlimmer als in Israel“, sagt Micha.
Mit dem Piratentaxi weiter zur Hafenpolizei. Ein junger Mann hat uns an der Schnellstraße aufgegriffen und fährt uns nach Cabadelo. Nach einer halben Stunde erfahren wir im tiefgekühlten Büro: “The system does not run – tomorrow. You have to come back tomorrow.” Nächster Stop Zoll. Der Mann, der Michael einen vierstelligen Betrag abgeknöpft hat fürs Einführen des Schiffes, haut seinen Kopf auf die Tischkante. Verharrt so einen Moment. Um dann die Arme zu heben, auf den Lippen die Worte: “Oh my god – this system drives me crazy!” Michael und ich nicken wissend. Flo und Franco checken derweil, wo im Städtchen es das beste Obst und Gemüse für die Überfahrt gibt.
Ich hab’ die Hand an der Gurgel. An meiner. So bitter kalt pfeift die Klimaanlage an die von 30 Grad gewärmte Haut. Was dann passiert, können sich weder Michael noch ich erklären. “I will solve your problem – definitely. Believe me!” Der Zollbeamte sagt das mit zweiundzwanzig Ausrufezeichen. Wir nicken wieder. Hoffend. Zack, zack sollen wir folgen. Zurück in das andere Büro, in dem the sytem auch nicht runs. Der Beamte verschwindet. Es duftet nach Fleisch. Nach einer halben Stunde kehrt er zurück. Mit einem Stempel und einer Unterschrift mehr in den Papieren. Ob er zu Mittag gegessen hat mit den Kollegen?”
Den letzten Stempel erwarten wir ein paar Meter weiter die Straße runter. “No. You have to go to João Pessoa. – But we’ve checked in here in Cabadelo?! – No. João Pessoa.” Nebendran fährt ein Bus in die Hauptstadt des Bundesstaates Paraiba. Wir nehmen ihn und rumpeln in Brasiliens gefährlichste Stadt. Laut Statistik werden dort die meisten Menschen auf 100 000 Einwohner ermordet. Bei Tageslicht unter Palmen, entlang hellrosafarben, blau und gelb getünchter Häuser ist davon nichts zu merken. Im Gegenteil: Als wir das Büro der Hafenpolizei betreten und kaum Platz genommen haben zwischen den gut zehn Wartenden, ruft uns ein Officer. “Your documents, please.” Keine zwanzig Minuten später ist alles erledigt. Wir können Brasilien verlassen. Die Uhr geht auf vier am Nachmittag zu.