Es gab keinen Grund, Angst zu haben. Keinen, auf dem Nachhauseweg den Kopf über die Schulter zurückzuwerfen, um mit aufgerissenem Auge und Schlund auf ein Geräusch zu lauschen. Das hinterrücks aus dem Gebüsch tönt. Dachte ich.
Vielleicht fährt man an einem solchen Norbert vorbei wie die drei Affen. Blind. Taub. Stumm. Aber ich sah. Hörte. Und sprach. Norbert reagierte nicht. Nicht sofort. Längst hatte ich ihn passiert und stieg in Höhe meines Hauseingangs vom Rad. Doch Norbert kam näher. Das Halteverbotsschild schaukelte auf der kräftigen Schulter.
Halteverbotsschild statt Blumen
“Du hast mich gesehen”, sagte er. Unnötig, das zu leugnen. Er sei auf dem Weg zu seiner Freundin. Norbert zeigte auf ein Fenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Gerade eingezogen, brummte es aus seinem Brustkorb. Unter einer der wenigen Straßenlaternen blinkten Ohrring und Piercing. Unter der Haut auf den freigekrempelten Unterarmen zog dunkle Tinte hinauf und verschwand unter den rotblau karierten Hemdsärmeln. Das Kinnbärtchen – blondiert und sorgfältig gestutzt.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Seine Freundin hatte ihn nicht erwartet. Ein paar Stunden zuvor ließ sie den gemeinsamen WeinVideoAbend platzen. Es ginge ihr schlecht, habe sie Norbert am Telefon mitgeteilt. Er fuhr hinaus aufs Dorf, sah sich einen See in Flammen an. Zurück in die Stadt. Vor dem Haus seiner Freundin parkte der Wagen eines Nebenbuhlers. Und auch Norbert geriet unter Feuer.
Sorgte für die Aufhebung eines absoluten Halteverbotes und beinahe für eine Katastrophe. Wir saßen vor meinem Hauseingang. Norbert – 42 – und ich. Sprachen über das Miteinander. Darüber, dass Ehrlichkeit und Loyalität alles seien, was er sich in seinem Alter von einem Miteinander noch erwarte. Wir rauchten. Irgendwann rief er ein Taxi. Das Halteverbotsschild stieß er in den regenweichen Boden eines Vorgartenbeetes. Es garantiert mir nun täglich einen freien Parkplatz. Und Norbert eine straffreie Bewährungszeit.