Every-day-life in Bocas del Toro

“It’s ridiculous ….” Die zwei US-Amerikaner neben mir grienen sich an und ziehen an ihren Zigaretten. Lächerlich ist gar kein Ausdruck. Rauchen ist in Panama alles andere als ein Vergnügen. Es ist so ziemlich überall verboten. Auf den Terrassen der Restaurants unter freiem Himmel ebenso wie auf denen der Frühstücksbars oder sonstiger Lokalitäten. Also raus damit auf die Straße. “Heeey …. do you have a cigarette for me! – No, ’cause everything for it is inside.” Der local boy mustert mich. “So do you want mine? – Yeeeeah. – But it’s just tobacco. – Oooooh. We do smoke weed here.”, antwortet er mit rollendem Kopf.
Zeitig dunkel wird es hier am Abend. Die Toilette im Waschraum der Marina gleicht dann einem Besuch im Terrarium. Fliegende Tiere in allen Farben und Größen sausen unter den Lampen umher. Beim Zähneputzen schießt hinter dem Spiegel ein Gecko hervor, lauert auf die Kriechtierchen, die sich entlang der Fliesen zu ihm emporarbeiten.
Getier auch in der Koje beim Einschlafen. Neben, unter und über mir knallt es leise. Im Kegel der Taschenlampe ist nicht auszumachen, wer das Geräusch verursacht. “Pistolenkrebse”, sagt Micha. Krebse, die mit einem aus ihren Scheren hervorgepressten Wasserstrahl ihre Beute erlegen.
Schade, dass die keine Mücken bewässern. Die Trockenheit auf Bocas, deretwegen noch in der vergangenenen Woche Panamas Präsident die Inselkette besuchte und ein Militärschiff mit Wassermacher herbeorderte, ist vorbei. Falsch aber war die Info, die Reservoirs seien leer. Die Pumpe war defekt. Und konnte das Wasser deshalb nicht ins Leitungsnetz einspeisen. Nun gießt es auskömmlich, und die bis dahin ausgebliebenen Nachkömmlinge der Caipi-Mücken sind inzwischen geschlüpft. Nicht größer als Gewittertierchen, aber mit deutlich größerem Eindruck, den sie vor allem des Nachts hinterlassen.

Oh, wie trocken ist Panama

Bocas Marina. US-Amerikaner, die – retired – Kräuter in Eimern auf dem Heck ihrer Yacht züchten. Ein Deutscher, der über alle und jeden alles zu wissen scheint. Ein Automat, an dem die Yachtis Trinkwasser in Flaschen zapfen können. Wenn nicht gerade – wie derzeit – ein Zettel daran pappt, auf dem “out of order” steht. Dabei funktioniert der Automat. Nur das Wasser will nicht fließen. Die Reservoirs der Insel sind leer. Zu lange hat es nicht mehr geregnet.
Darauf weisen sie auch in dem Hotel hin, in dessen Bar wir nach einer Fahrt mit dem marinaeigenen WasserShuttle zu Mittag essen wollen. “Fried jerk chicken” in einer irgendetwas mit Tomaten und Knoblauch angerührten Sauce. Kaum mehr was los sei auf den Inseln und in Almirante, erzählt der Deutsche. Vom einstigen Jetset-Ort der US-amerikanischen Jugend mit Party auf den Delphinausflugsbooten und in den unzähligen Bars in den Stelzenhäusern sei nicht mehr viel geblieben. Und das nur innerhalb eines Jahres. Zu teuer, zu viel Kriminalität. Und Micha erzählt von der Tochter eines US-Gouverneurs. Entführt. Umgebracht. FBI und andere Spezialeinheiten auf der Insel. Danach sind Einheimische verschwunden. Aha.
Micha wird die Sandine von hier nicht mehr wegsegeln. Sein Zuhause steht zum Verkauf. Und stündlich treffen Nachrichten per WhatsApp ein von jenen, die Sandine haben wollen oder einfach Konversation suchen. “Schicken Sie doch mal Fotos von dem Boot aus 50 Metern Entfernung, von der Seite, von vorn und hinten und von oben.” Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Das Kröpfchen hat er schon zwei Mal geleert.

Auf das Hühnchen im Restaurant folgt das Dessert. Hausgemachte Eiscréme. In zwei Einweckgläsern serviert, entscheiden sich unsere Gaumen gegen die blassbraune Masse in dem einen. Wir rätseln eine Weile, bis wir den Geschmack auf unseren Zungen entziffern: Erdnusseis. Die zu Eis verarbeitete Papaya aus dem anderen Glas legt sich lindernd darüber.

Sandine, ich komme.

“Coffee?! Just on friday. – I was travelling for nearly 40 hours. Just a small cup of black coffee, pleeeeease.” Die Frau hinter der Bar in der Bocas Marina schüttelt lächelnd den Kopf. Ok, denke ich. Offenbar nichts zu machen. Ein Blick in den Kühlschrank lässt mich eine Dose Cola bestellen. Eine zweite für Micha, der seit seiner Ankunft in der panamaischen Inselmarina vor zwei Tagen auch auf Koffein verzichten musste.

Paris-Rom-Erkner. Hierherzukommen, gleicht mitunter einem Irrweg. Bis Panama-City ein Kinderspiel. Am riesigen und kreischenden Busbahnhof Albrook angekommen nach zwölfstündigem Flug, jedoch ist mal wieder Improvisation gefragt. “Closed”, sagt die Frau am Schalter, aus dem sie die Tickets für den Nachtbus nach Almirante verkauft. Die Familie vor mir schleppt ihr Gepäck glücklich von dannen. Der guten Vorbereitung sei dank, wechsele ich an den Schalter daneben. Dort verkaufen sie Tickets nach David. Immer noch knapp drei Stunden entfernt von Almirante. Aber dem Städtchen immerhin schon 400 Kilometer näher. Und: lieber die Nacht im kleinen David verbringen als im Busbahnhof in Panama-City. Kurz nach eins in der Nacht kippt der Busfahrer die übermüdeten Passagiere auf die Straße. Ein paar Männer sitzen auf Bänken, Hunde streunen heulend umher. Ansonsten Stille. Mütze abnehmen, Schal verstauen, Jacke aus. 28 Grad unter dem Palmen, 18 auf den Sitzen des Reisebusses. Auch davor hatten die Blogger in ihren Berichten über die Anreise nach Bocas del Torro gewarnt.

Nächster Bus nach Almirante: 4 Uhr. Nun. Was sind schon drei Stunden. Ein bisschen Wasser ist noch in der Flasche, der Magen still. Überall Zigaretten – durchgestrichen in roten Kreisen. Och nee. Ein paar Schritte beiseite vom kleinen Busterminal verglimmt sie dann trotzdem in der tropischen Nacht. Nach einer zweiten brummt ein Kleinbus vorbei. Im Fond in Leuchtschrift “Changueliona”. Oha. Der Bus zur Sandine. Eine Stunde früher als auf einem Zettel angeschlagen. Mit Platz für 25 Leute, fährt der dann knapp 50 Menschen halb aufeinander über die Schlaglöcher Panamas gen Norden.

Kurz nach sieben auf einem Wassertaxi. Die Sonne steht längst über Panama. Der Capitan brettert über die Bahia Almirante. Gischt legt sich auf die müde Haut. Fast geschafft. Der Mann dann auf dem Wassertaxi zur Marina will drei Dollar, zwei sind’s regulär. Egal. Das Leben wird’s richten. Nur noch ankommen. Und dann einen Kaffee trinken. Nein. Es ist ja erst Mittwoch.